Ihr sollt einander lieben

Impuls zu Apg 10,25-26.34-35.44-48 und Joh 15,9-17

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Von:
(Beatrix Hillermann)

Vor fast 40 Jahren haben wir diesen Text aus dem Johannesevangelium als Schrifttext zu unserer Hochzeit gewählt. Heute würde ich sagen, dass war keine schlechte Wahl, aber die Dimension, die in diesem Text steckt und die weit über die Liebe zwischen einem Paar hinaus geht, war mir sicher damals noch nicht so klar.

Das Wort Liebe steht hier in diesem Evangelium für eine Lebenshaltung. „Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben.“ D.h. dann wir euer Leben von Liebe durchzogen sein. Was sind die Gebote Jesu? Und wie können wir diese Gebote, die in eine weit zurück liegende Zeit gesprochen wurden, in unsere Zeit übersetzen.

Wenn ich mir das Leben dieses Jesus von Nazareth anschaue, dann sehe ich einen Menschen, der sich mit all seinen Möglichkeiten für seine Überzeugung eingesetzt hat. Er ist umhergezogen und hat von einer guten Welt von einem Leben in enger Verbindung mit seinem Vater im Himmel erzählt und gepredigt. Er hat Menschen um sich gesammelt, Freunde und Freundinnen. Diese Freunde und Freundinnen waren so eng mit ihm verbunden, dass sie, wie Petrus in der Lesung nach dem Tod Jesu zum Teil die Verehrung erfuhren, die Jesus erfahren hatte. „ Steh`auf!“ sagt Petrus „Auch ich bin nur ein Mensch“ Aber dann wird deutlich, da wo Petrus Jesu Botschaft verkündet und sie auch lebt, da wird Gottes guter Geist lebendig. Und das gilt bis heute, überall da, wo wir nach Gottes Botschaft leben, wird Gottes Geist lebendig. Petrus nennt in der Lesung eine zentrale Botschaft diese Jesus von Nazareth: Gott sieht nicht auf die Person, sondern ihm sind alle, aus jedem Volk willkommen, die tun, was recht ist. D. h. Christsein heißt, dass die Grenzen nicht durch Volkszugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit gezogen werden, sondern die Abgrenzung heißt „tun was recht ist“. Politische Ideen, wie sie eine AFD vertritt, die ausgrenzt, abgrenzt und Deutsche gegen nicht ursprünglich Deutsche ausspielt, sind zutiefst unchristlich und ich hoffe sehr, dass die Stimmenanteile bei der Europawahl klein bleiben.

Tun was recht ist, einander lieben, d.h. sich für den Schwächeren einsetzen wie im biblischen Beispiel vom Barmherzigen Samariter, d.h. verzeihen und Neuanfang ermöglichen wie im biblischen Beispiel vom Barmherzigen Vater, d.h. mit Fremden gleichberechtigt und wertschätzend in Kontakt gehen, wie Jesus mit der samaritischen Frau am Jakobsbrunnen. Diese Frau war nicht nur Ausländerin, sondern sie war in der patriachalen damaligen Gesellschaft eben auch Frau und Jesus bespricht mit ihr völlig gleichberechtigt theologische Fragen und lässt sich von ihr in Frage stellen. Das könnte vielleicht für unsere Kirchenleitungen mal ein Vorbild für den Umgang mit uns Frauen sein.

Tun war recht ist, einander lieben, d.h. unterstützend tätig sein, wie in unzähligen Heilungsgeschichten, die uns die Bibel überliefert. Diese Heilungsgeschichten sind Bilder. Die sagen nicht, da war jemand körperlich blind und plötzlich durch den Wunderdoktor Jesus konnten sie wieder sehen. Diese Geschichte ist ein Bild und dieses Bild erinnert mich oft an die Arbeit hier bei uns im Trauerzentrum. Da kommen Menschen blind von Trauer, blind von Schmerz, der sie manchmal überwältigt, weil ein naher und lieber Mensch verstorben ist. Oft bringen sie noch andere Wunden aus ihrem Leben mit, die den Schmerz des Verlustes noch größer machen. Wir können diese Schmerzen durch Freundlichkeit, Zuhören, Verständnis zeigen, lindern. Manchmal können wir Menschen durch Gespräche und durch unsere Gruppenangebote, in denen man andere, auch Betroffene kennenlernen kann, zum sehen verhelfen. Sie lernen zu sehen, was in ihrem Leben, trotz des Schmerzes gut und lebenswert ist. Sie lernen sehen, dass es andere Menschen gibt, bei denen man Solidarität und Verständnis erfährt. Sie lernen sehen, dass sie auch im Schmerz getragen sind und so kann der Schmerz mit und mit weichen. In diesem Sinne bemühen wir uns, am Heilungsauftrag Jesu mitzuarbeiten, seine Liebe zu den Menschen weiter zu geben. Wir haben gerade in SE drei neuen TrauerbegleiterInnen, Segen für ihre Arbeit zugesagt. Insgesamt haben sich 6 Teilnehmende aus dem Ausbildungskurs, der im Herbst letzten Jahres begonnen hatte,  zur Mitarbeit im Trauerzentrum SE bereiterklärt. Darüber freue ich mich sehr. Sie bereichern die Arbeit mit ihrer Zeit und ihren Ideen. Aus der Gruppe ist der Wunsch entstanden, auch Menschen beizustehen, die um ein geliebtes Haustier trauern. Ich finde, das ist eine tolle Idee. Wir wollen als haupt und ehrenamtliche Seelsorger und Seelsorgerinnen dort sein, wo Menschen Not haben.

Und das passiert nicht nur bei uns im Trauerzentrum, sondern Gottes Segen, Gottes Liebe zu den Menschen wird überall greifbar, wo wir sie in unserem Umfeld mit Freundlichkeit, Verständnis, Respekt und Wertschätzung, eben mit Liebe für den Menschen, der mir gerade begegnet, weitergeben. Wenn uns das gelingen kann, könnten wir Frucht bringen für diese Gesellschaft, die diese Werte im Moment mehr als dringend braucht.