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Impuls:„Wenn ihr Glauben hättet, wie ein Senfkorn…..“

Samen, Pflanze
Impuls zu LK 17,5-10 | Die Worte an die Jünger aus dem Lukasevangelium, gehören zu einer kleinen Szene zwischen Jesus und seinen Jüngern, in der es um das Selbstverständnis der Jünger und um ihr Handeln geht.
Datum:
6. Okt. 2025
Von:
Beatrix Hillermann

Die Jünger, hier im Text als Apostel bezeichnet, bitten Jesus darum ihren Glauben zu stärken. Die Apostel hatten damals durchaus einen herausgehobenen Status innerhalb der Jüngergemeinschaft. Ihnen sollte man Glaubenskraft zutrauen, aber Jesus verneint „Wenn ihr Glauben hättet, wie ein Senfkorn“ und das war das allerkleinste von den Samenkörnern. D. h. wenn ihr auch nur ein klein wenig Glauben hättet, könntet ihr außergewöhnliche Dinge verbringen, einen Maulbeerbaum nur durch ein Wort verpflanzen. Aber das funktioniert ja offensichtlich nicht.

Als ich den Text dann weiter las, war ich zuerst irritiert – was ist das für ein Umgang mit dem Knecht, der müde vom Feld kommt? Er muss erst einmal weiter arbeiten und dann bekommt er zum Schluss nicht einmal ein Dankeschön. Im Gespräch mit meinem erfahrenen und bibelkundlich versierten Kollegen Willi Bruners, belehrte er mich, „das was hier beschrieben wird, war eine ganz normale Alltagsszene. So gingen die Mächtigeren mit den Knechten um. Das war normal, nicht irgendwie anstößig. Meine Gedanken wanderten dann zu der Frage, wie gehen denn heute Menschen mit Macht, mit denen um, die weniger Macht haben. Ich denke an zahlreiche Teams, in denen die Neuen, die Unerfahrenen die undankbarsten und unbeliebtesten Aufgaben zugeschoben bekommen. Ich denke an Vorgesetzte, die auf Kosten ihrer MitarbeiterInnen sich eigene Vorteile verschaffen. Ich denke an Politiker, die ihre Vormachtstellungen mit Gewalt gegen andere, zementieren wollen. Ich denke an den Artikel über missbrauchte Ordensfrauen, den ich heute morgen gelesen habe und ich denke auch an unser Kirchensystem, was die Vorherrschaft der Männer noch immer gegen viele theologische Erkenntnisse, mit dem vermeintlichen Willen Gottes begründet. So könnte ich jetzt viele weitere Szenen aufzählen. Also so weit weg scheint das nicht zu sein, dass man andere für sich arbeiten lässt oder ausnutzt und deren Bedürfnisse erst an das allerletzte Ende setzt, wenn sie denn überhaupt gesehen oder erfüllt werden.

Lukas lässt diese Szene ja auch nicht so stehen. Er sagt nicht, prima, wie ihr mit den Knechten umgeht, so muss es sein. Er setzte die Zuhörenden in die Knechtsrolle. Ihr die Jünger, die Apostel, ihr sollt sagen, wir sind nur unnütze Knechte und haben unsere Schuldigkeit getan. Ihr sollt die Rolle wechseln.

Willi Bruners bestätigt in unserem Gespräch diesen Ansatz. „Das Reich Gottes“, sagte er zu mir, „ist die Umkehr von dem, was wir hier kennen.  Dieser Text im Evangelium wird ja von dem erzählt, der sich für uns zum Knecht gemacht hat. Jesus ist der Knecht, der uns am Tisch bedient. Jesus dreht die Rollen um. Er wird für die Menschen zum Sklave. Wir sind die Bedienten, Gott isst und trinkt nach uns.“

Dieser Text ist nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem geschrieben und die jüdische Gemeinde trieb auch die Frage um, wo können wir Gott jetzt die Ehre erweisen. Der Text sagt, Gott gebe ich die Ehre, indem ich die Verhältnisse umkehre. Reich Gottes ist da, wo ich die Haltung ändere. „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“, heißt es an anderer Stelle im Lukasevangelium. Es geht nicht darum, dass Reich Gottes im Außen zu suchen, in Gemäuern, im Prunk, in Regeln, das Reich Gottes findet sich in jedem Menschen, wenn ich wahrhaft menschlich mit dem anderen umgehe. Wenn ich immer wieder versuche, die eigene Machtstellung zu hinterfragen, geschieht Reich Gottes. Wenn ich mein Gegenüber immer und zu jeder Zeit als Mensch mit Bedürfnissen, Verletzungen und Grenzen sehe, geschieht Reich Gottes. Wenn ich mit mir selber gut und freundlich umgehe so wie ich auch mit anderen gut und freundlich umgehe, geschieht Reich Gottes. Wenn ich mir nicht mehr von den Ressourcen der Welt nehme, wie ich auch anderen gönne, dann geschieht Reich Gottes. Wenn ich Vormachtstellungen nicht nur als Dienst bezeichne, sondern sie wirklich als Dienst an den Menschen lebe, dann geschieht Reich Gottes. Glaube, nachdem die Jünger in den ersten Zeilen des Evangeliums fragen, geschieht vor allem im Tun

Wenn uns das wirklich überall gelingen würde als gläubige Menschen zu handeln, wäre das ein noch größeres Wunder als dass der Maulbeerbaum sich entwurzelt und ins Meer verpflanzt. Jesus hat das damals schon gesehen, dass das mit Glauben nicht so weit her ist, aber dennoch sollten wir es für eine menschlichere Welt immer wieder versuchen.

Beatrix Hillermann