Verbindung über den Tod hinaus

Impuls zu Joh 20,19-31

Du fehlst (c) Bild: Peter Weidemann In: Pfarrbriefservice.de
Von:
(Beatrix Hillermann)

Kennen Sie diese Erfahrung, die die das Evangelium von Thomas schildert? Sie hören von jemand etwas Außergewöhnliches, vielleicht eine Information, die mit unseren wissenschaftlichen Denkkategorien nicht so ohne weiteres ein zu ordnen ist, und sie sind erst einmal skeptisch, beweise mir das! So kann ich das nicht glauben. Die Liebe ist so eine schwer beweisbare Kategorie. Schön sind die Worte „ich liebe dich“, aber halten sie Stand? Sind sie mehr als Worte? Kann ich mich da wirklich drauf verlassen? Beweise mir das erst einmal, dass du mich liebst.

So ähnlich wird es Thomas ergangen sein. Von seinen Freunden und Freundinnen hört er, sie hätten Jesus gesehen. Er ist skeptisch „das soll er mir erst einmal beweisen.“ „Wenn ich nicht selber gefühlt und gesehen habe, dass er es wirklich ist, dann glaube ich das nicht.“

Die Menschen, die zu uns in die Trauerbegleitung kommen stoßen auch oft auf so eine Skepsis wie Thomas sie hier an den Tag legt. Immer wieder erlebe ich, dass jemand ganz verschämt erzählt, er habe dieses oder jenes erlebt und sei ganz sicher, dass sein Verstorbener damit zu tun habe. Aber die Menschen trauen sich kaum, diese Erfahrungen zu erzählen, weil die Umgebung ihnen nicht glaubt.

In unserer Gesprächsgruppe „Trauer nach Suizid“ ist ein Vater dessen Sohn, ich schätze er war so Ende 20, sich vor einigen Monaten nach langen Phasen der Depression das Leben genommen hat. Ein schrecklicher Schlag für Eltern; das Gefühl, das eigene Kind nicht davor bewahren zu können. Riesige Trauer, Schuldgefühle und Scham sind oft die Folge. Dieser Vater hatte sehr schnell begriffen, dass der Suizid seines Sohnes die Folge eines Krankheitsgeschehens war. Einmal hatte er ihm das Leben gerettet, beim zweiten mal ist es ihm nicht gelungen. Die Depression war zu heftig und hatte sein Kind ganz im Griff. Der Sohn konnte mit dieser Krankheit nicht mehr leben. Die Depression hatte ganz von ihm Besitz genommen, so wie bei anderen der Krebs ganz vom Körper Besitz nimmt. Begriffe wie Freitod oder Selbstmord sind da überhaupt nicht hilfreich. Suizide sind in der Regel weder frei, noch Mord, sondern der Ausdruck verzweifelter Menschen, die gegen ihre unterschiedlichen psychischen Krankheitssymptome nicht mehr ankommen. Wenn Angehörige das wirklich verstehen, ist oft die Möglichkeit da, einen nächsten Schritt in der Trauer zu gehen. Für diesen Vater ist das so. Er ist offen für die Frage, wie kann ich mit meinem Kind in Verbindung bleiben?

Und beim letzten Treffen erzählte er uns ganz vorsichtig von einer Erfahrung, bei der er seinen Sohn ganz deutlich gespürt hatte. Es hatte bei einem Vertragsabschluss im Internet Probleme gegeben und der Vater konnte nachts nicht schlafen, weil er nicht wusste, wie er da wieder raus kommen konnte und das Problem lösen sollte. Immer wieder gingen die Gedanken zu seinem Sohn. Der war ja fit gewesen bei digitalen Fragen, der hätte ihm jetzt sicher helfen können. Irgendwann kam dann eine potentielle Lösung in seine Gedanken und am nächsten Tag ließ sich das Problem viel leichter als gedacht, lösen. „Das war mein Sohn“, erzählte er in unserer Gesprächsrunde.“ Er ist da, ich spüre ihn immer wieder. Abends kann ich ihm Gute Nacht sagen. Obwohl ich ihn nicht mehr anfassen und in den Arm nehmen kann, weiß ich, dass er da ist“

Mich hat diese Erzählung sehr berührt. Eine Erfahrung von heute, genauso wie sie uns in den Ostergeschichten von damals überliefert wird. Maria Magdalena im Garten wird zurückgewiesen „Du kannst mich nicht festhalten, aber sie spürt die Gegenwart ihres Freundes und Meisters. Sie erkennt Jesus, so wie der Vater in unserem Trauergesprächskreis seinen Sohn erkennt. Thomas fällt es schwer sich auf das Spüren, das Vertrauen einzulassen. Jesus kommt ihm entgegen, er lässt ihn anfassen und berühren und doch sagt er „selig sind, die nicht sehen und doch glauben“

„Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ Der Vater in unserem Trauergesprächskreis vertraut und glaubt an die Gegenwart seines Sohnes über den Tod hinaus. Und da geht es nicht um Tische rücken oder um obskure Versuche mit dem so genannten Jenseits in Kontakt zu treten. Das sind Versuche, die nach meiner Erfahrung Menschen in die Irre führen. Es geht um Liebe, um Vertrauen, um Hoffnung und um glaubendes Zutrauen. Ich glaube, es ist die Verbindung von einer inneren Einwilligung oder von einer Akzeptanz für das Geschehen und von einer tiefen liebenden Verbindung, die Menschen diese Erfahrung schenkt. Und dann erlebe ich immer wieder Trauernde, die mir vorsichtig, fast schamhaft erzählen, dass sie die Gegenwart ihrer lieben Verstorbenen spüren und dass ihnen das viel Kraft gibt. 

Ich wünsche mir, dass wir christliche Gemeinden viel stärker Erzählgemeinschaft werden, dass wir das Zutrauen haben, dass Gottes Kraft auch heute wirkt, dass wir einander von unserer Trauer, unseren Nöten, unseren Zweifeln (wie bei Thomas), aber auch von unseren Auferstehungserfahrungen erzählen. Dann kann Gottes Kraft auch heute Leben spendend weiter wirken.