Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie den Begriff Heimat hören?
Denken Sie jetzt an Ihre Wohnung - oder an eine bestimmte Stadt – oder kommen Ihnen das Meer oder die Berge in den Sinn?
Welche Gerüche sind Ihnen jetzt in die Nase?
Welche Sprache haben Sie im Ohr, welche Musik?
Welche Menschen stehen in Gedanken jetzt vor Ihnen?
Es gibt Vieles, was heimatliche Gefühle in uns auslöst. Vieles, was für uns Zuhause bedeutet, weil es uns gut tut und trägt.
Die vielen Millionen Geflüchteten, die weltweit aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen unterwegs sind, können uns sagen, was sie an Heimat zurückgelassen haben und welches Zuhause sie suchen, welches sie finden wollen, um wieder gut leben zu können.
Eine Wohnung zu haben, die Geborgenheit gibt, ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Ein Zuhause zu haben, das Schutz zum Leben gibt, damit wir uns entwickeln können, von dem wir ausgehen und in das wir immer wieder zurückkehren können, ist lebensnotwendig.
Eine solche Wohnung ist aber nicht nur auf der Straßenkarte zu finden.
Wir Menschen geben einander in den Beziehungen, die wir zueinander leben ein Zuhause, einen Raum, indem wir frei atmen können, indem wir einfach sein dürfen, wie wir sind.
Der Tod eines Menschen, dem wir eng verbunden sind, läßt uns erschrecken und bringt unser Leben durcheinander, weil dieses Zuhause zusammengebrochen ist.
Denn wo immer wir die Begegnungen mit unseren Toten als fürsorglich, zuverlässig und lebensbejahend erfahren durften, haben sie uns so, wie es ihnen möglich war, festen Boden unter unsere Füße gegeben und damit ein Zuhause. Einen Boden, den wir oft in der Zeit der Trauer nicht mehr spüren.
Wann immer wir durch die Begegnungen mit unseren Toten froher und sicherer wurden, haben sie uns Weite und Freiheit geschenkt. Aber nahe am Tod fühlen wir uns oft durch die Angst vor der unbekannten Zukunft, in die Enge getrieben.
Wann immer wir mit Menschen in Liebe verbunden sind und waren, sind und waren wir einander Heimat, in deren Zugehörigkeit wir ein Leben erfahren durften, das reich und glücklich gemacht hat.
Überall da, wo wir Menschen einander vertrauen, miteinander Schweres und Frohes teilen, überall da, wo durch unser Miteinander Zuversicht und Liebe wachsen, da schenken wir einander ein Zuhause.
Vielleicht hat Johannes deshalb das Bild von der Wohnung bei Gott für das Geschehen Tod genommen. Vielleicht können wir uns mit diesem Bild vom „Zuhausesein“ besser vorstellen, was es heißt: bei Gott geborgen zu sein, das Leben unserer Toten bei ihm beschützt zu wissen.
Diese Erzählung vom „Beheimatet-Sein über den Tod hinaus“, gehört zu den Abschiedsreden Jesu. Johannes läßt Jesus sie in der Passionsgeschichte, also im Angesicht seines eigenen Todes, sagen. Und so bekommt sie ein ganz besonderes Gewicht: denn diese Erzählung will und kann uns trösten, auch wenn sie uns keine Schmerzen nimmt, und uns nicht vor dem Zusammenbrechen schützt, und unsere Trauer nicht mildert.
Diese Erzählung aber schenkt uns die Hoffnung und den Glauben,
dass nichts endgültig ist, auch nicht der Tod,
dass nichts im Leben vergebens ist oder verlorengeht, auch nicht durch den Tod,
dass alles, was uns Menschen ausmacht unverlierbare Wirklichkeit bleibt, durch den Tod hindurch.
Das ist ein Erkennen, in das wir durch die Trauer hineinwachsen können.
Das ist ein Empfinden, durch das wir uns dem Ostergeschehen annähern können.
Durch diese Erzählung dürfen wir glauben, dass jedes Menschenleben unendlich kostbar ist. So kostbar, dass Gott es für immer bewahrt.
Für uns, die wir noch in unseren Erdenwohnungen leben gilt, dass wir unsere Toten nie verlieren. Sie haben uns mit ihrem Tun und Lassen geprägt. Sie sind zwar nicht mehr körperlich begreifbar neben uns, aber sie wachsen durch die Erinnerung an „das- gemeinsam- Erlebte“ in uns hinein und bleiben uns so tief innerlich.
Burga Gripekoven