Orientierung in einer aufgebrachten Gesellschaft

Impuls zu Jes Sir 27, 4-7 und LK 6,39-47

No Place For Hate (c) Bild: Peter Weidemann In: Pfarrbriefservice.de
Von:
Beatrix Hillermann

Gerade haben wir das Ende der Feldrede, überliefert vom Evangelisten Lukas, gehört. Bei Matthäus heißt dieser Inhalt Bergpredigt und ist etwas bekannter. Jesus tritt hier in der Tradition der Weisheitslehrer auf und will den Menschen existentielle Orientierung geben. Er will sie davon überzeugen, dass das Reich Gottes sie dringend angeht und dass sie den richtigen, den guten Weg einschlagen sollen.

Orientierung scheint mir was zu sein, was wir dringend benötigen. Der gerade zurückliegende Wahlkampf hat mich fassungslos gemacht. Der Ton, in dem aufeinander eingedroschen wurde, war zum Teil menschenverachtend. 

In einer Faschingspredigt im Netz aus dem Jahr 2022 fand ich zu dem Thema folgende Reime:

Doch viel schlimmer sind virtuelle Gerüchte im weltweiten Netz,
denn manche Zeitgenossen meinen: da gilt kein Gesetz!
Man verschickt peinliche Fotos von andern, anstatt sie zu loben,
man verbreitet Gerüchte, schnell beginnt dann das Mobben.
Leichtfertig oder bewusst werden soziale Medien benutzt
und das Ansehen anderer Leute beschmutzt.
So mancher nutzt das Internet heimlich und anonym,
nur um über andere herzuziehn.
Ohne dass man unterschreibt und den eigenen Namen angibt,
werden Hass und Häme auf andere gekippt.
„Shitstorm“ nennt man das englisch, so ich das weiß,
und das bedeutet übersetzt deutsch „Sturm aus Sch...“.
Ich sag es hier deutlich, dass es für jeden ganz klar ist:
So was ist feige und gehört sich nicht als Christ
Da sind Politiker in Deutschland und in der Welt, die Reden halten,
die nicht versöhnen, sondern die Gesellschaften spalten.

„Unser Land, unsere Gruppe zuerst,“ die Tendenz ist besch...eiden,
so gegeneinander letztlich nur alle leiden.
Bei all den Sorgen und Wirren nicht nur der Katholik feststellt,
dass Papst Franziskus fast ständig wirbt für die Einheit der Welt.

(aus Faschingspredigt_2022_St_Anton_Hans_Georg_Mager)

An dieser Stelle will ich mal die schönen, aber doch sehr nachdenklichen Reime verlassen. Das was der Kollege 2022 sagte, gilt genauso heute 2025.

Wenn eine gesellschaftliche Gruppe gegen die andere aufgehetzt wird, heute sind es die Migranten, 1933 waren es die Juden, dann verlassen wir den christlichen Boden. Wenn Verfolgten und Hungernden pauschal die Hilfe versagt wird, dann verlassen wir christlichen Boden. Wenn im Wahlprogramm der afd steht, es gibt keinerlei Kontrolle im Netz und hatespeech wird nicht mehr verboten, dann verlassen wir christlichen Boden. Wenn Demonstrierende, die sich um die Demokratie sorgen, pauschal als grüne Spinner verunglimpft werden, dann verlassen wir christlichen Boden. Wir sind da im Moment an einem gefährlichen Kipppunkt. Wenn wir jetzt nicht gegensteuern im Sinne von Papst Franziskus, dass wir verantwortlich sind für die Einheit der Welt und auch für die Einheit in unserem Land, dann wird sich, fürchte ich, unweigerlich die Geschichte wiederholen. Dann ist 1933 nicht weit. 

Das Evangelium gibt uns eine andere Richtung vor. In dem Text der Feldrede vor unserem Kapitel wird Friedfertigkeit und Feindesliebe eingefordert, es wird Barmherzigkeit gefordert und das großzügige Geben dem, der bittet. Das ist die Richtung, die das Evangelium vorgibt. Die anglikanische Bischöfin Mariann Edgar Budde hat Donald Trump bei seiner Einführung ins Angesicht widerstanden und hat seine Politik mit den Forderungen des Evangeliums konfrontiert. Ich glaube, dass das jetzt unsere Aufgabe ist, zusammenzurücken mit allen, die hier weiterhin Leben aus christlichem und humanistischem Geist gestalten wollen. Zusammenrücken und den Schlechtrednern und Spaltern etwas entgegensetzen. Dazu telefonierte ich am Freitag länger mit der Geschäftsführerin der Grünen in meiner Heimatstadt, die einen Runden Tisch für Demokratie mit allen demokratischen Parteien initiieren will. Sich eben nicht spalten lassen, sondern in Solidarität zusammenrücken. Den Aufwieglern und Hasspredigern widerstehen und weiterhin an der Seite, der Menschen sein, die unsere Hilfe und Unterstützung brauchen. An der Seite, der Armen, der Fremden, der Kranken und der Trauernden. Und dafür stehen wir hier an der Grabeskirche St. Elisabeth. Hier bei uns soll jeder und jede Ansprache, Begleitung und Unterstützung erfahren, den oder die Trauer im Moment niederdrückt unabhängig von Hautfarbe, Staatszugehörigkeit, Religionszugehörigkeit oder sexueller Orientierung. Wir möchten im Sinne Jesu für alle Menschen da sein und alle sollen hier gesehen und wertgeschätzt werden. 

So hoffe ich, dass wir alle dazu beitragen können aus dem guten Schatz unseres Herzens Gutes hervor zu bringen und so im Sinne Jesu in einer aufgebrachten Gesellschaft Orientierung zu sein.