Impuls:Nachfolge

Die Jesusbewegung war im Ursprung eine Reformbewegung des Judentums und die war radikal. Es bildete sich aber sehr schnell eine zweite Gruppe heraus, die versuchte, die Botschaft Jesu an ihr Leben anzupassen mit einem Wunsch nach Sesshaftigkeit, Strukturen und Bindungen. Die anderen folgten in radikaler Weise ihrem Meister, der im Laufe seines Lebens vom Bauschreiner, einem angesehenen Beruf der Mittelschicht, zum Wanderprediger wurde. Diese innere Spannung zwischen Aufbruch und Sesshaftwerdung bestimmt das Christentum von Anfang an und hat unzählige Konflikte hervorgebracht. Jesus selber hat sich radikal für den Aufbruch entschieden. Er hat sich mit seiner Botschaft aufgemacht im wörtlichsten Sinne des Wortes ist er losgewandert und hat seine Überzeugung gepredigt und hat sich vor Konflikten und Anfeindungen nicht gescheut. Für seine Überzeugung ist er letztlich in den Tod gegangen. Das Evangelium ist nicht familienfreundlich und es schützt auch nicht vor Katastrophen. Evangelium leben im ursprünglichen Sinn Jesu heißt sich radikal für ein humanes und respektvolles Miteinander in der Welt einzusetzen und das geht nur in großer Freiheit und es ist gefährlich, manchmal lebensgefährlich.
Prüft gut, ob ihr das wirklich könnt, sagt uns der Evangeliumstext anhand der beiden Beispiele vom Turmbau und vom König. Man soll sich gründlich prüfen und die eigene Bereitschaft zur Aufgabe gewohnter Muster und Lebenskontexte in den Blick nehmen. Zur Jüngerschaft gehört Entschiedenheit und Mut. Jüngerschaft fordert heraus und eckt an im gesellschaftlichen Miteinander.
Ein Beispiel dafür könnte das Leben von Marianne Henkel sein, (deren Sechswochenamt gleich im Münster begangen wird. Sie war ehemalige Frauenreferentin in der Region MG und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes.) In einem Nachruf von Brigitte Vielhaus, einer langjährigen Kollegin von Marianne Henkel heißt es, sie habe sich sehr intensiv für alleinerziehende Frauen eingesetzt.
„Eine Trennung vom Partner oder gar eine Ehescheidung waren in den 80er Jahren immer noch ein Tabuthema in der katholischen Kirche und wurde gerne unter den Teppich gekehrt. Marianne hat das Thema offengelegt, den „Dreck unter dem Teppich“ hervorgeholt und besprechbar gemacht. Sie gründete 1974 in Mönchengladbach die erste Begegnungsstätte für Alleinerziehende in der Kirche, setzte sich für die Frauen ein, persönlich und auch kirchenpolitisch. Sie arbeitete im „Arbeitskreis alleinerziehende Mütter“ der damaligen Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz mit und war bundesweit ein Beispiel für die Unterstützung und Begleitung von Frauen und Müttern in Trennungssituationen. Sie stritt mit Priestern und mit Bischöfen und stellte die Lehre der Kirche in Frage, vor allem die Haltung zu Scheidung und Wiederheirat und die Zulassung zu den Sakramenten. Die in den 80er Jahren in Deutschland stärker werdende Bewegung Feministischer Theologien gaben ihr die notwendige argumentative Rückenstärkung. Sie war tief davon überzeugt, dass Frauen eine priesterliche Berufung haben können und dass Frauen zu allen Diensten und Ämtern in der Kirche berufen sind. Sie durfte über diese Gedanken nur vorsichtig sprechen und musste Sanktionen seitens der Kirchenhierachie befürchten.“
So ist das, wenn man aufbricht, wenn man die eigene Überzeugung vom Evangelium lebt, dann eckt man ganz oft an in bestehenden Strukturen, bei denen, die ihre Macht und Sicherheit in Regeln zementiert haben.
Jesus selbst ist immer wieder angeeckt und formuliert in unserem Evangeliumstext drei Bedingungen für eine wirkliche Jüngerschaft. Die erste Bedingung heißt: Wer Jesu Jünger und Jüngerin sein will, der muss bereit sein, Beziehungsnetze aufzugeben und loszulassen, die einen in der eigenen Jüngerschaft nicht unterstützen. Das können manchmal sogar die eigenen Eltern sein, deren Ideen und Vorstellungen man z.B. mit der eigenen Berufswahl nicht erfüllt, das können Freunde sein, deren Lebensentwurf man nicht teilt oder gesellschaftliche Gruppen, mit denen man sich anlegt um der eigenen Überzeugung willen, so wie Marianne Henkel mit der Kirchenhierarchie.
Die zweite Bedingung ist die Bereitschaft in aller Konsequenz den Weg Jesu mitzugehen, auch dahin, wo es wehtut, wo Hoffnungen erst einmal enttäuscht werden, wo scheitern droht. Das ist für mich schon eine sehr anspruchsvolle Bedingung. Ich denke an Dietrich Bonhoeffer und andere Wiederstandskämpfer in der Nazizeit. Ich denke an den russischen Aktivisten Alexej Nawalny, an iranische Frauen, die sich unter Einsatz ihres Lebens für Freiheit einsetzen oder an die vielen Helfer und Helferinnen in den Kriegs- und Katastrophengebieten dieser Erde, die etwas Humanität zu den Menschen bringen wollen.
Die dritte und letzte Bedingung heißt, Jüngerschaft verträgt sich nicht mit einer ständigen Sorge um das, was man besitzt. Besitz, der zum Selbstzweck wird macht unfrei. Besitz, der auf Kosten anderer erwirtschaftet wird, beraubt die anderen ihrer Menschlichkeit.
Und dann sind wir wieder am Anfang meiner Gedanken. Vermutlich geht es Jesus nicht darum, sämtlichen Besitz wegzugeben, aber seine Forderungen an uns sind trotzdem deutlich und radikal lebensverändernd. Es geht darum aufzubrechen, Freiheit zu schaffen uns nicht an den vermeintlichen Sicherheiten festzuhalten, sondern an der Hoffnung, dass der Gott der Liebe und der Freiheit unser Leben trägt, bis in den Tod.
Beatrix Hillermann