Leben aus dem Sinn

Impuls zu Ijob 19,1.23-27a und Mt 28,18-20

Berührung (c) Bild: Pia Schüttlohr In: Pfarrbriefservice.de
Von:
Beatrix Hillermann

„ich bin immer bei euch, jeden Tag, bis zum Ende der Welt. Mit dieser Zusage endete gerade der kurze Evangeliumstext. Diese Zuversicht, „ich bin gehalten, mein Leben hat auch in der Katastrophe noch Sinn“, diese Zuversicht habe ich in der letzten Woche auf meiner Wienreise in einem Museum erlebt.

Viktor Frankl, ein österreichischer Neurologe und Psychiater, hat im zweiten Weltkrieg als Jude als einziges Mitglied seiner Familie das KZ überlebt. Man müsste meinen, dass ein Mensch an diesen Erfahrungen von Gewalt, Terror und Trauer doch zerbrechen müsste. Frankl gründet nach dem Krieg eine neue Psychotherapeutische Schule, die Logotherapie. In ihr geht es darum, dass Menschen wieder Zugang zu ihrem ganz persönlichen Sinn finden. Ich habe aus dem weltweit 1. Viktor Frankl Museum folgende Geschichte mitgebracht:

Studenten der Universität Haifa bringen einen alten Mann, der seit dem Tod seiner Frau vor 7 Jahren in einer schweren Depression steckt, zu einer Logotherapeutin. Er hat sich vollkommen in sein Haus zurückgezogen und ist sehr verwahrlost.

Er hat seine Frau erst im fortgeschrittenen Alter kennengelernt. Kurz nachdem sie geheiratet haben, wurde bei ihr die Diagnose Krebs gestellt. Als sie in die Klinik kam, hat er jeden Tag an ihrem Krankenbett verbracht. Er führte mit ihr intensive, dichte Gespräche, bis sie schließlich gestorben ist. Als letzten Liebesdienst hat er ihr die Füße gewaschen.

„Und jetzt kann ich nichts mehr für sie tun. Nichts mehr”, klagt er. Die Logotherapeutin antwortet: „Immerhin bestimmen Sie, was hinter Ihrer Frau zurückbleibt. Es hängt zu einem großen Teil auch von Ihnen ab, ob hinter Ihrer Frau ein total gebrochener Mensch zurückbleibt, von dem jeder sagt: Der wäre ihr am besten nie begegnet. Oder ob hinter Ihrer Frau ein Mensch zurückbleibt, der aufrecht durch das Leben geht und bestätigt, wie sehr sein Leben durch die Liebe dieser einzigartigen Frau bereichert worden ist."

Als der Mann das hört, ist er erschüttert. Er springt auf, geht auf und ab und sagt: „Um Himmels willen, was tue ich denn da eigentlich? Das hat sie nicht verdient. Ich möchte das gar nicht, ich möchte, dass hinter ihr nicht ein See an Tränen zurückbleibt, sondern wo ihre irdischen Füße den Boden berührt haben, da sollen Blumen der Freude wachsen."

Er entscheidet, sein Leben ganz anders zu gestalten, sich nicht hängen zu lassen und sich nicht im Schmerz zu verkriechen - seiner Frau zuliebe'

3 Jahre später trifft die Logotherapeutin diesen Mann wieder und er sagt zu ihr: ,,Wissen sie, der Schmerz ist noch da. Aber heute weiß ich, dass der Schmerz der Preis ist, den ich zu zahlen habe für eine besondere Liebe, die ich erleben durfte. Und diesen Preis zahle ich gern.“

Er erzählt, dass er jetzt Besuchsdienst bei krebskranken Menschen macht. Diese warten immer schon auf ihn, um mit ihm zu reden.

(Elisabeth Lukas in: „Heute ist der erste Tag vom Rest deines Lebens“ im Kapitel „Der goldene Schlüssel des menschlichen Geistes“)

Einen neuen Sinn im Leben zu finden, darum geht es ganz oft in der Begleitung trauernder Menschen. Das Evangelium will uns Sinn anbieten mit dieser Zusage, ich bin immer bei euch, im Leben und im Tod – „bis zum Ende der Welt“. Die Zusage steht, Gott, die Urkraft des Lebens und der Liebe ist bei uns, - aber - wir müssen unseren Teil dazu tun, nämlich das tun, was Jesus uns in seiner Vollmacht geboten hat, auch das haben wir gerade im Evangelium gehört. Wir müssen – dürfen- können unser Leben in die Hand nehmen und es gestalten, d.h. in einer Kurzfassung „Gott lieben, den Nächsten lieben und uns selber“.  Wenn uns das gelingt, dann kann das Vertrauen so groß werden wie bei Hiob, der selbst am Abgrund darauf vertraut „mein Erlöser lebt….meine Augen werden ihn sehen, nicht mehr fremd“. Auch Frankl und Bonhoeffer und viele andere haben am Abgrund noch vertraut. Ich wünsche uns allen Zugang zu unserem ganz persönlichen Sinn und Vertrauen ins Leben.

(Beatrix Hillermann)