Gemeinsam statt hate speech

Impuls zu Jes 43,16-21 und Joh 8,1-11

Love Speech statt Hate Speech (c) Bild: congerdesign / Pixabay.com - Lizenz In: Pfarrbriefservice.de
Von:
Beatrix Hillermann

am Dienstag hörte ich in WDR 5 eine längere Information zu dem Betrugsurteil über Marine Le Pen in Frankreich. Der Journalist beschrieb wie die rechtspopulistische Partei von Marine Le Pen sich bei der Verabschiedung eines Gesetzes zur Korruptionsbekämpfung vor einigen Jahren geäußert hatte. Sie hätten das Gesetz gerne noch viel schärfer gehabt, ein Politiker, der Gelder veruntreut und betrügt sollte nie mehr wählbar sein. Gegen die vermeintlichen Eliten, die die „kleinen Leute“ betrügen, könne man nicht hart genug vorgehen. Nun steht Marine Le Pen selber vor Gericht.

So etwas erlebt man leider oft, die eigenen Untaten werden auf andere projiziert und hart verurteilt.  Die Psychologie nennt das Abspaltung oder eben Projektion: Das, was man selber bei sich nicht ertragen oder zulassen kann, wird auf andere projiziert und abgewertet.

So ein Umgang miteinander ist die Sache von Jesus nicht und er lässt sich auch nicht von den vermeintlich rechtgläubigen Fragern in die Ecke drängen. Fast beiläufig sagt er „wer von euch ohne Fehler ist, der werfe doch den ersten Stein“ Beschämt ziehen die Krakeler davon und auch er wird die Frau nicht verurteilen. „Handle jetzt anders“, trägt er ihr auf. Es geht darum nach vorne zu schauen. Es geht darum, Dinge, die nicht gut gelaufen sind, besser zu machen. In der Lesung hieß es: „Denkt nicht mehr an das, was früher war.  Auf das, was vergangen ist, achtet nicht mehr! Siehe nun mache ich etwas Neues!“ Und dann entwickelt Jesaja eine Zukunftsvision von Wegen durch und Wasser in der Wüste. Die Wüste ist ein Bild für schwierige Zeiten. 

Wir erleben im Moment schwierige Zeiten mit unterschiedlichen Bedrohungen, angefangen mit Corona, dann die Aggressionen Russlands, wirtschaftliche Probleme und die Zunahme autoritärer Politiker und Parteien. Viel schwerer als die Bedrohungen hier bei uns, sind sie in anderen Teilen der Welt. Die Tamilen in Sri Lanka erleben seit 200 Jahren Unrecht, begonnen mit der kolonialen Deportation durch die Briten. Bis heute erleben sie Diskriminierung und Missachtung und bekommen so oft nicht das Nötigste zum Leben. 

Misereor schaut immer wieder zu diesen Stellen der Welt. Wir haben Verantwortung füreinander und die Verantwortung hört nicht an der Grenze Deutschlands auf. Wie oft habe ich in letzter Zeit gehört, „wenn es bei uns schon schwierig ist, was müssen wir uns da noch um die anderen kümmern“. Christ zu sein, heißt immer auf alle zu schauen. Christ zu sein heißt, ich bin verantwortlich dafür, was mein Handeln bei anderen anrichtet. Christ sein heißt, ich bin dafür mit verantwortlich, dass alle Menschen in Würde leben können. Misereor macht das mit seinen Projekten konkret. 

Im Hochland Sri Lankas leben viele Familien seit Generationen in beengten Siedlungen am Rande großer Teeplantagen – ein Leben geprägt von Armut und Perspektivlosigkeit. Viele der Männer und Frauen sind selbst nicht mehr als Teepflücker*innen tätig, die Plantagen können sie trotzdem nicht verlassen:

Ihnen fehlen Ausweise, Startkapital oder Land, auf dem sie ein neues Zuhause errichten könnten. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung oder höherer Bildung ist schlecht, es fehlt an Perspektiven. Doch Veränderung ist möglich.

Dank dem Misereor-Partner Caritas Sri Lanka-SEDEC finden Menschen wie Rajanayagi eine neue Perspektive. Sie hat den Schritt gewagt, sich aus der Abhängigkeit zu befreien. Durch Schulungen, die Vermittlung grundlegender Rechte und finanzielle Starthilfen konnte sie einen kleinen Laden eröffnen.

Jetzt trägt sie dazu bei, ihre Familie zu versorgen und ist nicht mehr auf das Einkommen ihres Mannes angewiesen. In ihrer Gemeinschaft hat sie sich eine führende Rolle erarbeitet.

Misereor zeigt mit seiner Arbeit auch uns, was Perspektive und Hoffnung geben kann. Es geht darum die Fähigkeiten einzelner Menschen zu stärken. Es geht darum die Schwächeren zu stützen und nicht das Recht des Stärkeren zu predigen. Es geht darum, die Dinge gemeinsam anzugehen. Es geht darum auf Verbindendes zu schauen und immer wieder wahrzunehmen, dass wir aufeinander angewiesene Menschen sind. Ich hoffe und wünsche, dass die Politik in unserem Land das wieder versteht, dass es nur mit Kompromissen gemeinsam geht. Ich hoffe und wünsche, dass jeder und jede Einzelne begreift, dass wir nur gemeinsam an einer Welt bauen können, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen. Dann wird es vielleicht gelingen, dass Wege durch die Wüste und Flüsse durchs Ödland führen.