Das Wort Gottes in der Welt

Impuls zu Joh 1,1-18

Licht (c) Bild: Peter Weidemann In: Pfarrbriefservice.de
Von:
Beatrix Hillermann

Im Anfang war das Wort, / und das Wort war bei Gott, / und das Wort war Gott.

Alles ist durch das Wort geworden / und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.

In ihm war das Leben / und das Leben war das Licht der Menschen.

Und das Licht leuchtet in der Finsternis / und die Finsternis hat es nicht erfasst.

Ich musste diesen schönen Text aus dem Johannesevangelium mehrmals lesen, um die Kraft der Worte zu erspüren und zu verstehen.

Worte formen uns Menschen. Sie weisen uns den Weg, wie wir uns selbst wahrnehmen und wie wir die Welt sehen. Durch Gottes Wort entsteht Licht und Leben. Das wünscht Gott für die Menschen.

Wir alle haben schon die Macht von Worten erlebt. Worte können verletzen, abwerten, einschüchtern, Angst machen, Worte können Menschen zerstören. Ich denke an Kinder, denen gesagt wird, dass sie ja eigentlich gar nicht gewollt waren oder dass sie dieses und jenes ja doch nicht können. Diese Botschaften prägen Menschen häufig ihr Leben lang und führen zu großen Selbstzweifeln und Unsicherheit und oft zu einem schweren Leben. Ich denke an Worte wie Wirtschaftsflüchtlinge und Sozialschmarotzer, mit denen populistische Parteien für Ausgrenzung, Hass und Spaltung in der Gesellschaft sorgen. Die Not der Menschen, die sie zur Flucht bewegt verschwindet und sie werden zum Feind gemacht. Sie werden ent-menschlicht. Ich denke aber auch an die vielen kleinen Worte von Abwertung, Verleumdung und Unterstellung, die zwischen uns so oft hin und her gehen.

Worte können zerstören, Worte können aber auch aufrichten, heilen und stärken, Worte können Leben ermöglichen. Ich denke an Worte wie „du kannst das“, „du bist wichtig“, die Menschen aufrichten und zum Leben führen. Nach meiner Wahrnehmung ist dieser Blick auf den Menschen die Grundlage unseres Volksvereins hier in Mönchengladbach, der Menschen so wieder in ein menschenwürdiges Leben führt. Ich denke an unseren Gesprächskreis für Angehörige nach Suizid. In dem Treffen vor Weihnachten formulierten die Teilnehmenden, dass unser Arbeitsmotto „du darfst so sein wie du bist und du darfst mit allem, was dich quält hierhin kommen“ für sie so wertvoll und hilfreich ist und dass sie sich in der Gruppe sehr angenommen fühlen. Ich denke an die Ehrenamtlichen im Trauercafe, die für jeden neuen Besucher/jede neue Besucherin ein freundliches Wort, eine einfühlsame Frage oder ein aufmunterndes Lächeln haben. Ich denke an jedes wertschätzende Wort, an jedes „ich mag dich“, „du bist mir wertvoll und wichtig“, was wir selber sprechen.

Der Evangeliumstext schreibt: 

In ihm war das Leben / und das Leben war das Licht der Menschen.

In Gottes Wort ist Leben. Sein Wort heißt „du bist gewollt, du bist geliebt, du bist geschätzt mit allen deinen Möglichkeiten und auch mit dem, was schwierig in deinem Leben ist“. In Jesus ist Gottes Wort auf einmalige Art und Weise zum Leben erweckt worden. Jesus war so sehr er selbst und er war so sehr verbunden mit dieser göttlichen Kraft, dass die Theologen irgendwann festgelegt haben, er war wie Gott. Ob uns solche dogmatischen Festlegungen helfen, ist ein andere Frage. 

An Weihnachten haben wir gefeiert, dass Gottes schöpferische Wort für die Menschen in Jesus greifbar, spürbar, erlebbar wurde, eben ganz Mensch. In jedem von uns, der/die sich auf Jesu Weg einlässt, kann Gott heute wieder Mensch werden. 

„Wir können selbst ein wenig wie Gott sein“, schreibt mein Mann als Kommentar in meine Predigt, „wenn wir Worte von Licht und Leben sprechen. Aber wir müssen gute Worte auch wahrnehmen, annehmen, müssen fühlen, dass wir gemeint sind, sonst wird das nichts“.

Und manchmal wird es eben nichts. Der Text schreibt:

Er war in der Welt / und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.
Er kam in sein Eigentum, / aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.

Der katholische Theologe und große Denker Friedolin Stier hat in einem Text die Auseinandersetzung von Gottes Wort mit einem Theologen beschrieben. Gottes Wort besuchte den Gelehrten. Der hatte dem Wort Gottes wiederholt gesagt, er wisse alles über das Wort Gottes. Das Wort Gottes hatte das aber sehr zur Verärgerung des Gelehrten immer wieder abgestritten. Auf die mehrfache Frage des Gelehrten, was das Wort Gottes denn nun bei ihm suche, sagte dieses: “Ich möchte Sie, ich möchte, dass das Wort Gottes durch sie hindurchspricht und das nicht über das Wort Gottes gesprochen wird“. Ich glaube, dass ist eines der ganz großen Probleme unserer Kirche, dass oft viel zu sehr über das Wort Gottes gesprochen wird, es aber nicht durchscheint. 

Das was für die Kirche in ihren hierarchischen Strukturen und für diesen Professor gilt, gilt natürlich auch für jeden von uns. Das Wort Gottes möchte uns, es möchte durch uns hindurch sprechen. - Wie sind denn meine Worte? Schaue ich wertschätzend auf die Menschen oder habe ich an allen und allem was auszusetzen? Kann ich zuhören oder muss ich vor allem selber reden? Traue ich anderen was zu oder kann ich alles besser? Kann man sich auf meinen Zusagen verlassen?  So könnten wir uns jetzt viele weitere Fragen stellen und es ist gut, das immer mal wieder zu tun. Denn oft gelingt es uns nicht, das Wort Gottes durch uns sprechen zu lassen und das sehen wir im Moment ganz schmerzhaft an vielen Stellen in der Welt in Krieg, Hassparolen, Gewalt, Abwertungen von Minderheiten und in vielem anderen, was ich jetzt aufzählen könnte.

Aber gleichzeitig hat der Text die Zusage, das göttliche Wort ist das Leben und das Licht der Menschen. Und dieses Licht kann jeden Menschen erleuchten, wirklich jeden. Und so können wir Gottes Wort in unserem Leben leuchten lassen indem wir zuhören, Worte weise wählen, Liebe reden lassen und immer wieder zeigen und erfahren, wie sehr das Wort Gottes heilend, aufrichtend und stärkend ist. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.